Berichte von 11/2019

Projekt - Centro de Creatividad Pre-Escolar

30Nov2019

Hier in La Paz ist jetzt langsam wieder die Normalität zurückgekehrt, auch wenn es immer noch ab und zu kleinere Unruhen gibt. Seit letztem Montag darf ich auch endlich wieder zur Arbeit und habe mich sehr gefreut, die Kinder wieder zu sehen.

Wovon ich euch hier noch gar nicht berichtet habe, ist, dass ich seit Anfang August vormittags mit den jüngeren Kinder arbeite. Vorher gab es für mich morgens wenig zu tun, da die Kinder aus meinem Kurs der 4.-6. Klässler erst nachmittags nach der Schule zu uns kommen. Seit jetzt knapp 4 Monaten darf ich aber vormittags zu den Kindern vom CCPE (Centro de Creatividad Pre-Escolar = Frühpädagogisches Kreativitätszentrum) hoch. Das CCPE ist der Bereich der Kleinkinder, der mit einem Kindergarten verglichen werden kann. Die Kinder sind den ganzen Tag von 8:30-16:30 bei uns und bekommen mehrere Mahlzeiten. Der Schwerpunkt liegt auf frühpädagogischer Erziehung im Bereich Frühförderung, Gesundheit und Ernährung, um die gesunde Entwicklung der Kinder zu fördern. 
Das CCPE ist in zwei Kurse aufgeteilt: Die ganz Kleinen von 0-3 Jahren und die etwas Größeren von 3-4.

Ich arbeite mit den 3-4 jährigen, zusammen mit meiner Kollegin betreuen wir 12 Kinder. Mit spielerischen Aufgaben und vielseitigen Anregungen werden sowohl die motorische und koordinative Entwicklung, als auch die Feinmotorik der Kinder gefördert. Außerdem lernen die Kinder kognitive Fähigkeiten wie die Zahlen von 1-10, die Vokale und ihre Namen und darüberhinaus auch richtiges Benehmen, soziales Verhalten und Tischmanieren. Neben vielem Basteln, Malen und Singen gehen wir mit den Kindern jeden Montag in unseren Garten, um die Blumen zu gießen, und jeden Donnerstag in den Videoraum. Von den pädagogischen Grundlagen habe ich leider nicht so viel Ahnung wie meine Kollegin, aber ich unterstütze sie so gut ich kann in der Umsetzung der Projekte.

So sieht im Moment ein normaler Arbeitstag für mich aus:

vormittags (3-4 Jährige):
09:30 Frühstück (Milch und ein kleines Brötchen)
10:00 Begrüßung und Singen
10:30 Merienda (meistens Obst)
11:00 Aufgaben, Basteln, Malen, etc.
12:30 Mittagessen

nachmittags (4.-6. Klässler):
14:00 Hausaufgabenhilfe
16:00 Aktivitäten              
17:00 Tee&Brötchen                    
17:30 Feierabend

Basteln!Zahlen lernenMit Eierschalen basteln Schildkröten basteln Im Garten säen

Auch, wenn die Kinder manchmal ganz schön frech werden können, sind sie mir echt ans Herz gewachsen.
Da für die Kinder, sowohl die Großen als auch die Kleinen, bald die Ferien beginnen, ist es für mich schon langsam an der Zeit, Abschied zu nehmen. Die Sommerferien dauern hier ca. zwei Monate und wenn die Schule und das Centro im Februar wieder losgehen, werde ich nicht mehr hier arbeiten. Durch den verloren Monat, den ich nur zu Hause verbringen konnte, verging die Zeit echt schnell und es fällt mir schwer, mich zu verabschieden. Die letzten zwei Wochen werde ich nun noch mit den Kindern genießen, bevor es für alle in die Weihnachts- bzw. Sommerferien geht. Ich werde sie auf jeden Fall vermissen!

Liebe Grüße
Leona:)

Politische Situation - Update

17Nov2019

Wie ich ja schon berichtet hatte, kam es hier in Bolivien nach den Wahlen zu Unruhen auf den Straßen. Dazu möchte ich euch ein kleines Update geben, da in den letzten Wochen einiges passiert ist, was sogar in den deutschen Nachrichten berichtet wurde.

Nachdem sich sowohl die Proteste gegen den Präsidenten Evo Morales, als auch dessen Drohungen gegen seine Gegner immer weiter verschärft hatten und es zu vielen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei kam, schloss sich die Polizei am 08.11 den Demonstranten an und legte ihr Amt nieder. Dies führte zu großer Erleichterung auf Seiten der Regierungsgegner und der Druck auf den Präsidenten stieg.

Am Tag darauf wurde dann von der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) der Wahlbetrug der Partei Evo Morales bestätigt, welcher daraufhin nachgab und Neuwahlen ankündigte. Damit gaben sich die Demonstranten, die mittlerweile seit fast 3 Wochen gegen den bisher verleugneten Wahlbetrug protestierten, aber nicht zufrieden.

Nachdem am 10.11 dann auch noch die Militärführung Evo Morales nahelegte, zurückzutreten, um den Frieden im Land wieder herzustellen, kündigte dieser kurz darauf schließlich seinen Rücktritt an - eine Neuigkeit, mit der keiner gerechnet hatte. Diese Nachricht löste bei seinen Gegnern große Erleichterung aus, da sie ihren Kampf für die Demokratie gewonnen sahen.

 Allerdings wurden die Spannungen im Land dadurch nicht aufgehoben, im Gegenteil. Seine Anhänger sprechen von einem "Putsch" und fühlen sich betrogen, sind wütend und haben Angst um die Zukunft. In der Nacht nach Morales Rücktritt kam es zu heftigen Ausschreitungen und Vandalismus in mehreren Städten Boliviens; es wurden Busse und Häuser angezündet und Demonstranten, bewaffnet unter anderem mit Dynamitstangen, strichen durch die Straßen und richteten großen Schaden an. Die darauf folgenden Tage schien Bolivien dem Chaos verfallen, ohne Präsidenten, Polizei oder Militär, bis letztere schließlich eingriffen.

Einige Tage nach Morales Rücktritt wurde die Oppositionspolitikerin Jeanine Áñez zur Interimspräsidentin ernannt, bis zu den Neuwahlen im Januar. Dies sorgte für Empörung bei Morales Anhängern und die Proteste gehen weiter. Seit das Militär aber gegen die Krawalle vorgeht, hat sich die Lage etwas beruhigt.

In La Paz beschränken sich die Proteste jetzt nur noch aufs Zentrum und nicht mehr auf die ganze Stadt. Allerdings gibt es in der Nachbarstadt El Alto, in der viele Anhänger des ehemaligen Präsidenten leben, immer noch starke Ausschreitungen und Blockaden, weshalb die Ein- und Ausfahrt nach La Paz für Busse und Zulieferungen, wie beispielsweise von Benzin, blockiert sind.

Evo Morales hat unterdessen Exil in Mexiko gefunden und kündet seine baldige Rückkehr an. In diesem Fall droht ihm aber eine Verhaftung.
Er behauptet weiterhin, er wäre durch einen Putsch gestürzt worden. Da sein Rücktritt aber aufgrund der Demonstrationen der Bürger gegen den bestätigten Wahlbetrug und für ihre Demokratie stattfand, kann man nicht von einem Putsch sprechen.

Wie es jetzt weiter geht, weiß keiner so genau. Evo Morales hinterließ ein gespaltenes Land und es liegt jetzt in den Händen der Politiker, wieder Ruhe und Frieden einkehren zu lassen.

Weitere Informationen findet ihr in folgenden Artikeln:

"Sturz eines Idols" - Spiegel

"Es ist kein Putsch" - Zeit

 
Mir ist in diesen Unruhen nichts passiert und ich bin weiterhin in Sicherheit. Ich durfte die letzten drei Wochen aus Sicherheitsgründen nicht zur Arbeit und das Haus nicht verlassen.
Trotzdem ist es ein unwirkliches Gefühl, solche Ereignisse live mitzubekommen und um die Zukunft des Landes zu bangen. Ich hoffe, dass die Situation sich jetzt endlich beruhigen wird und wieder etwas Normalität einkehrt. Bis alle Wogen geglättet sind, wird es aber noch eine ganze Weile dauern.

Liebe Grüße
Leona

Todos Santos

02Nov2019

In Bolivien wird am 01. und 02.11 Todos Santos gefeiert. Dieses Fest verbindet die traditionellen Bräuche des lateinamerikanischen Día de los muertos (Tag der Toten) mit dem katholischen Fest Allerheiligen, welches die Spanier gemeinsam mit ihrer Religion nach Südamerika brachten.

Todos Santos ist ein Fest zu Ehren der verstorbenen Familienmitglieder. Dem Glauben nach steigen deren Seelen für einen Tag aus dem Himmel herab, um ihre Familie zu besuchen.
Die Seelen werden mit einem bunt geschmückten Altar empfangen. Neben Fotos der Verstorbenen, Blumen und Kerzen enthalten die Altare verschiedene Lebensmittel.
Die T'anta Wawas ("Kinder aus Brot") sind süße Gebäcke in Form von Personen mit bunten Gesichtern, die die Verstorbenen verkörpern sollen. Gebackene Leitern sollen den Seelen den Ab- und Aufstieg vom Himmel auf die Erde und wieder zurück ermöglichen. Manchmal bekommen sie dabei auch Hilfe von gebackenen Pferden oder Lamas, auf denen die Seelen ihren Weg antreten können. Meist beinhaltet der Altar auch noch andere süße Gebäcke, getrocknete Früchte, Süßigkeiten oder Alkohol, damit die Verstorbenen sich stärken und die Süße des Lebens genießen können.
Eine weitere Tradition ist es, das Brot in den Tagen nicht zu kaufen, sondern selber zu backen.

Viele Bolivianer besuchen an Todos Santos die Gräber ihrer Ahnen auf dem Friedhof und richten dort den Altar ein, andere Familien empfangen die Seelen in ihrem Haus.

T'anta Wawas und anderes Gebäck auf dem Markt Musik auf dem Friedhof

Um 12 Uhr am 01.11 kommen die Seelen der Verstorbenen pünktlich zum Mittagessen bei ihren Familien an, um mit ihnen gemeinsam ihr Lieblingsgericht zu genießen, welches zu diesem Anlass extra zubereitet wird.
Die Seelen begleiten einen ganzen Tag lang ihre Familie, bis sie am 02.11 nach dem Mittagessen wieder in den Himmel zurückkehren.

Todos Santos ist kein Fest der Trauer, im Gegenteil, es wird viel gesungen, gebetet und gefeiert. Die Menschen genießen die gemeinsame Zeit mit ihren Liebsten und feiern die Toten.
Für diesen wichtigen Tag wurden sogar fast alle Blockaden und Proteste pausiert und die Menschen waren friedlich.

Ich durfte diese Tradition mit meiner Gastfamilie miterleben, die ihre verstorbenen Familienmitglieder empfangen hat. Mir gefällt dieser Brauch sehr, da man an die Toten denkt, sie ehrt und sich darüber freut, dass sie bei einem sind, anstatt zu trauern.

Liebe Grüße
Leona;)